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AVIVA-BERLIN.de im November 2024 - Beitrag vom 09.11.2021


Windstill - ein Film von Nancy Camaldo. Filmstart: 11. November 2021
Joanna Piekarska

Träume, die auf "irgendwann mal" verschoben werden und ein frustrierender Alltag, der die ProtagonistInnen gefangen hält, bis sie den Mut aufbringen, auszubrechen. Nancy Camaldo schafft in ihrem Debütfilm "Windstill" ein Schwesterndrama vor der malerischen Kulisse Südtirols und fordert das Publikum dabei auf, sich mit dem eigenen Leben und den eigenen Träumen auseinanderzusetzen.




Eine überforderte junge Mutter, ein Vater, der sich abmüht, um mit der Arbeit als Koch seine Familie zu ernähren, nur um seine Freundin nach der Schicht dann doch mit einer Kollegin zu betrügen. Auf den ersten Blick wirkt "Windstill" von Regisseurin Nancy Camaldo und den beiden Münchner Produzentinnen Sandra Hölzer und Natalie Hölzer wie eine klischeebeladene, vorhersehbare Geschichte mit Figuren, die stereotyp auf ihre Rollen reduziert zu werden scheinen.

Gefangen im Alltag

Der Plot und die ProtagonistInnen werden in Nancy Camaldos erstem Langfilm, der gleichzeitig die Abschlussarbeit ihres Regiestudiums an der Hochschule für Fernsehen und Film München ist, nur allmählich vorgestellt. In der ersten Hälfte des Films wird lediglich der zermürbende Alltag zwischen Babygeschrei, Lohnarbeit und Entfremdung in der Beziehung und die damit einhergehende existenzielle Krise des Paares gezeigt, ohne dass etwas Erwähnenswertes passiert.

In der Schlüsselszene, die nach 45 Minuten etwas spät kommt, bringt die Protagonistin Lara (Guilia Goldammer) das Baby kommentarlos zur Arbeitsstelle ihres Freundes Jakob (Thomas Schubert) und verschwindet zu ihrer Schwester Ida (Barbara Krzoska).

Auf Idas Bauernhof in Südtirol müssen sich die beiden Schwestern, die seit mehr als zwei Jahren keinen Kontakt hatten, mit ihrer Vergangenheit und dem Tod ihrer Eltern, vor allem aber mit ihren geplatzten Träumen auseinandersetzen. Lara wollte eigentlich Medizin studieren, ist dann aber schwanger geworden, Ida wollte eigentlich Autorin werden, hat dann aber den Hof ihrer Eltern übernommen.

Geplatzte Träume

Durch Laras und Idas nie in die Realität umgesetzte Träume zwingt Nancy Camaldo das Publikum, sich mit dem eigenen Leben auseinanderzusetzen. Der Film spiegelt die eigene Angst, dass es für "irgendwann mal" zu spät sein könnte und dass man sich gefangen in einem Alltag wiederfindet, den man sich nicht ausgesucht hat, sondern in den man einfach reingerutscht ist. Dass man sich fragen muss: "Ist das alles?"

Nancy Camaldo wurde für "Windstill" von der Geschichte eines Freundes inspiriert, der seine Träume von einer Ausbildung als Pilot oder dem Auswandern nach Neuseeland nicht verwirklichte, weil seine Freundin schwanger wurde. Wie bei Lara und Ida ist das Leben "einfach so passiert", er hat sich angepasst und seine Träume verschoben.

"Träume gehören genauso zum Menschsein wie unser Alltag. Oft verläuft das Leben nicht nach unseren Vorstellungen und man beugt sich einfach dem Lauf der Dinge. Genauso geht es den Figuren im Film. "Windstill" erzählt vom inneren Kampf dreier Menschen, die wie wir alle versuchen, herauszufinden, wann ihr "Irgendwann mal" war, ist oder vielleicht noch sein wird.", so Regisseurin Nancy Camaldo im Interview mit Barfuss - Das Südtiroler Onlinemagazin.

Die Zuschauerin empfindet in "Windstill" 115 Minuten lang ambivalente Gefühle: Einerseits wird sie durch die detailreichen Darstellungen alltäglicher Momentaufnahmen in die Geschichte hineingezogen, andererseits bleiben die ProtagonistInnen bis zum Ende unnahbar und undurchschaubar. Anders als anfangs angenommen, schafft Nancy Camaldo auf diese Weise aber Charaktere, die nicht eindimensional gut oder böse sind, und die nicht auf ihre zugedachte Rolle reduziert werden, weshalb sie so authentisch wirken, als würde frau echten Menschen zusehen.

AVIVA-Tipp: Nancy Camaldo gelingt ein starkes, mutiges Filmdebüt, das dem Publikum durch die ProtagonistInnen einen Spiegel vorhält, sodass es nicht umhinkommt, sich mit dem eigenen "irgendwann mal" auseinanderzusetzen.

Zur Regisseurin: Nancy Camaldo ist in Südtirol aufgewachsen und studierte Regie an der Hochschule für Fernsehen und Film München. Nach einer Reihe von Kurzfilmen ist Windstill zugleich ihre Abschlussarbeit und ihr erster Langfilm. Seine Premiere feierte Windstill ab dem 18. Januar 2021 im Rahmen des online stattfindenden Filmfestivals Max Ophüls Preis. Nancy Camaldo lebt in München.

Mehr zu Nancy Camaldo: www.nancycamaldo.com

Windstill
Deutschland, Italien 2020
Drehbuch und Regie: Nancy Camaldo
Produktion: Sandra Hölzer und Natalie Hölzer
Filmverleih: W-Film Distribution
Laufzeit: 115 Minuten
Kinostart: 11.11.2021
Mehr zum Film und der Trailer unter: www.wfilm.de

Festivals/Preise:
2021: Bolzano Filmfestival Bozen, IT, Wettbewerb
2021: Deutscher Schauspielpreis, DE, Nominierung: Beste Nebendarstellerin Barbara Krzoska
2021: Filmfestival Max Ophüls Preis, DE , Nominierung: Bester Schauspielnachwuchs Thomas Schubert
2021: Filmfestival Max Ophüls Preis, DE , Nominierung: Bester Schauspielnachwuchs Giulia Goldammer
2021: Filmfestival Max Ophüls Preis, DE , Wettbewerb
2021: Filmz Mainz, DE, Offizielle Auswahl
2021: Fünf Seen Filmfestival, DE, Wettbewerb, Perspektive Junges Kino


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Beitrag vom 09.11.2021

AVIVA-Redaktion